Drei Herausforderungen der Branchenzukunft

Handelsblatt Auto-Gipfel

Drei Herausforderungen der Branchenzukunft

5. Januar 2023 agvs-upsa.ch – Am «Auto-Gipfel» des deutschen «Handelsblatts» versammelten sich Mitte Dezember 2022 Branche und Experten zu Vorträgen und Diskussionen. Drei der Beiträge widmeten sich der Verschiebung der Marktmacht durch E-Mobilität nach Asien, dem Fachkräftemangel und Mobilitätswünschen junger Menschen.

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«China ist sehr dominant – und das wird zunehmen», sagt Helena Wisbert, Direktorin des renommierten Center for Automotive Research (CAR) im deutschen Duisburg. Fotos: The Autonomous, CAR

tpf. «China ist sehr dominant bei den Batterien und den Rohstoffen – und das wird noch zunehmen», leitet Helena Wisbert, Direktorin des Center for Automotive Research (CAR) aus Duisburg (D) sowie Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia-Hochschule Wolfsburg (D), ihren Vortrag über die Verschiebung der Marktmacht durch die Elektromobilität ein. Der Zug der batterieelektrischen Mobilität sei, so Wisbert, für die europäischen Autohersteller als früheren Technologieführern quasi abgerauscht: Tesla (USA), BYD und SAIC (beide China) hätten der alten Welt das globale Elektroheft absatzseitig aus der Hand genommen. Als Beispiel eines noch unerschlossenen Wachstumsmarktes nennt Wisbert Indien: Heute bereits der drittgrösste Automarkt hinter China und den USA, biete das Riesenland – jeder sechste Mensch auf der Welt ist Inderin oder Inder – Potenzial: In Indien kämen auf 1000 Menschen erst 28 Autos (Schweiz 541). Doch Mobilität müsse dort zwingend grün und bereit für neue Mobilitätsformen sowie lokal verankert sein, der dort enormen Emissions- und Stauprobleme und des tiefen Lohn- und Preisniveaus wegen. 

Und es gebe Hoffnung, dass Europa in einem anderen Feld allen voranfahren könne: Die europäischen Hightech-Autobauer liegen laut Wisbert beim Thema Wasserstoff respektive brennstoffzellenelektrischem Antrieb vorne. Dies auch, weil die EU milliardenschwere Projekte zur Wasserstoffmobilität angestossen habe. «Wasserstoff wird sich etablieren», ist Wisbert überzeugt. Auch weil die Finanzkraft gerade der deutschen Marken enorm sei und strenge europäische Gesetze – Stichwort CO2 – jene Transformation und Vorreiterolle förderten, die es gestatte, den Lead zu übernehmen. Aber peinigt sich Europa nicht selbst mit besonders strengen Gesetzen? «Europa sollte da weiter vorangehen», findet Wisbert, quasi aus Eigeninteresse an der eigenen Technologie-Zukunftsrolle. Denn China werde der globale Leitmarkt bleiben. Europas Autobauer müssten sich «vom Primat hoher Stückzahlen lösen» und künftig auf «die Mobilität als Dienstleistung» setzen. 
 

Den Stellenwert der Berufsausbildung stärken

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«Wir können uns Fachkräftemangel nicht leisten», betont Ariane Reinhart, Personalvorstand, Continental AG. Foto: Continental

Mit «Wettrennen um Talente» ist das grosse Interview mit Ariane Reinhart am «Handelsblatt Auto-Gipfel» überschrieben: Beim deutschen Zulieferreriesen Continental ist man über den grassierenden Mangel an Fachkräften in der Autobranche höchst besorgt. Letztes Jahr konnte Ariane Reinhart, Personalvorständin von Continental aus Hannover (D) mit 190'000 Mitarbeitenden, bei weitem nicht alle 538 Ausbildungsplätze besetzen: «Das stimmt uns betrüblich und ärgert uns. Wir haben eine Umfrage erstellen lassen und mussten feststellen: 60 Prozent der Befragten sagen, die Fachausbildung habe in der Gesellschaft nicht mehr denselben Stellenwert.» In Deutschland gebe es mittlerweile mehr Studienanfänger als Auszubildende, entsprechend blieben etliche Stellen unbesetzt. «Wir brauchen eine Bewegung, die der Berufsausbildung wieder den gleichen Stellenwert gibt wie einem Studium, und ein Umdenken – denn wir können uns Fachkräftemangel nicht mehr leisten.» 

Bei Conti setze man auf vielfältige Lösungen. So bilde man zusammen mit den Sozialpartnern mit grossem Erfolg vermehrt Ungelernte aus und ältere Umsteiger um, um die Lücken zu füllen. «Unser ältester Azubi ist 64 Jahre und wird Verfahrensmechaniker. Wir müssen für den Fachkräftebedarf alle Pools nutzen, die wir haben», betont Reinhart – und hierzu müssten auch die Unternehmen flexibler werden, denn «Selbstbestimmung ist ein wichtiges Thema». Etwa jener Menschen, die jenseits der Rentengrenze noch arbeiten wollten, oder jener, die Teilzeitarbeit wünschten. Und auch attraktive Zuwanderungsgesetze seien wichtig, so Reinhart. Nur so könne man die «Säulen des Wohlstands» erhalten. «Als Land müssen wir attraktiv sein, denn Fachkräfte können sich heute aussuchen, in welchem Land sie arbeiten gehen wollen», sagt Reinhart. Man werbe sogar in Kolumbien Kräfte an, um sie in Deutschland auszubilden. «Wir brauchen ausser Menschen, die studieren, auch jene, die produzieren.» Nur so könnten die Wirtschaftsleistung von Industrie und KMU als, wie es Wisbert nennt, «Säulen des Wohlstandes» auch in Zukunft erhalten bleiben. 
 

Die Generation Z strebt nach günstiger Mobilität 

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«Die Flexibilität muss noch grösser werden», sagt Markus Emmert, Vorstand, Bundesverband E-Mobilität. Foto: BEM

Nach der Popband als «New Kids on the Block» bezeichnet Markus Emmert, Vorstand des deutschen Bundesverbandes E-Mobilität (BEM), die sogenannte Generation Z (je nach Definition meist die Jahrgänge 1997 bis 2012). Er hat deren künftige Mobilitätsbedürfnisse untersucht und was dies für die Energie- und Mobilitätswende gegenüber beispielsweise der Generation X (1965 bis 1980) heisst. «Die Flexibilität muss vorhanden sein und noch grösser werden als heute. Mobilität muss sauber sein, cool, smart – und vor allem auch günstig.» All dies gelte unabhängig davon, welche Verkehrsmittel genutzt würden. «Smart» zum Beispiel meint laut Emmert: Die Bedienung muss simpel sein, ob beim E-Bike-Sharing, im ÖV oder beim Spotify-Hören über das Infotainment in einem Car-Sharing-Fahrzeug. Ein wichtiger Unterschied zur Generation X sei, dass die Generation Z überall die ständige Verfügbarkeit flexibler, multimodaler Mobilität voraussetze – und es sonst ein Hauptgrund für Landflucht sei. Emmert verweist erneut auf den Preis: «Günstig ist für viele Generationen ein Thema, aber für die Generation Z geht es darum, dass ja auch die Energie- und Wohnraumpreise steigen.» 

Eine zum Thema passende Studie wird am «Handelsblatt Auto-Gipfel» von Steffen Braun vom Meinungsforschungsinstitut Civey präsentiert. Eine Umfrage bei der Generation Z, erstellt für das deutsche Nachrichtenmagazin «Spiegel», zeigt die Gründe für den Wunsch junger Menschen nach günstiger Mobilität auf: Anders als alle vorhergehenden Generationen erwarte die Generation Z nicht, dass es ihr finanziell besser gehen werde als den Eltern – sondern erstmals, dass die Zukunft schlechter werde. Die Studie stelle auch fest, dass der Aspekt, ob sich der Arbeitgeber für das Wohl der Gesellschaft einsetze, keine besondere Rolle bei der Stellensuche spiele. Wichtigstes Kriterium pro oder contra eines Arbeitgebers bleibe zwar das Gehalt. Aber: Bereits auf Rang zwei lande die «Work-Life-Balance» als Entscheidungskriterium. Und, auch dies präge junge Menschen: Das Privatleben und ein den Interessen entsprechender Job seien wichtiger als Karrierechancen.
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