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Neue Vertikal-GVO der EU

«Ein echtes Agenturmodell kann Vorteile haben – wenn die Rahmenbedingungen stimmen»

22. Juni 2022 agvs-upsa.ch – Seit Anfang Monat ist in Europa die neue Vertikal-GVO in Kraft. Die EU-Kommission reagiert mit der Neufassung auf Veränderungen, die sich in den vergangenen Jahren ergeben haben. Im Zentrum des Interesses steht für den Händler das Agenturmodell. Hier gehen die Meinungen quer durch die Reihen der Markenhändler.

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Quelle: Istock

kro. War bei der nunmehr ersetzten Vertikal-GVO vor zwölf Jahren die Regulierung des Online-Vertriebs und der Plattformen noch nicht im Fokus, wird in der neuen Vertikal-GVO verstärkt ein Auge darauf geworfen, so auch im Hinblick auf den Direktvertrieb der Hersteller und den Vertrieb über Händler, um letztlich den freien Wettbewerb zu sichern. Im Zentrum steht das Agenturmodell, das in Europa aktuell bei verschiedenen Marken eingeführt wurde oder noch werden soll. 

In der Schweiz ist die Situation in Bezug auf die Kfz-Bekanntmachung als Pendant zur europäischen GVO noch eine andere: Am 14. März 2022 nahm der Ständerat sehr zur Freude des Autogewerbes die Motion Pfister als Zweitrat an. Der Bundesrat muss nun die KFZ-Bekanntmachung der Wettbewerbskommission in eine bundesrätliche Verordnung umsetzen – sinnvollerweise noch vor Ende 2023, denn dann läuft dann die aktuell geltende KFZ-Bekanntmachung der Weko aus. 

Der AGVS verfolgt die Entwicklung aufmerksam
In der Mobilcity verfolgt man die Entwicklung in Europa wie auch in der Schweiz sehr aufmerksam: «Für den AGVS steht im Vordergrund, dass wir unseren Mitgliedern für diesen wichtigen Entscheid zeitnah alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen», sagt Geschäftsleitungsmitglied Markus Aegerter. Aus diesem Grund lässt der Verband Gutachten erstellen, aus denen er bis im Herbst Factsheets für die Markenhändlerverbände erstellen wird. «In der Schweiz haben wir eine andere rechtliche Grundlage für Agenturverträge, als dies in den Ländern der EU der Fall ist», erklärt er. Aus diesem Grund seien die Marken in der Schweiz mit Agenturverträgen bisher noch zurückhaltend. «Es liegen zwar von verschiedenen Herstellern entsprechende Ankündigungen vor, aber einen Schweizer Agenturvertrag haben wir bisher noch nicht gesehen.»

Tobias Treyer, Rechtskonsulent des AGVS, weist darauf hin, dass in der aktuellen Diskussion zwischen einer echten und unechten Agentur unterschieden wird: Bei der echten Agentur sei der Markenbetriebe letztlich nur noch Hilfsorgan des Herstellers beziehungsweise des Importeurs. Dem Agenten dürfen folglich keine handelsspezifischen Kosten und Risiken übertragen werden. Bei der unechten Agentur dagegen handle es sich um eine Mischform, in der der Markenbetrieb von Kosten und Risiken nicht vollständig entlastet sei, jedoch am Verkaufsgeschäft je nach Ausgestaltung stärker mitwirke. «Es kann nicht ohne weiteres definiert werden, welches das vorteilhafterer Modell ist», sagt Treyer, das hänge von der konkreten Ausgestaltung und insbesondere der vorgesehenen Abgeltung des Markenbetriebes ab.

Weniger Rabatte zulasten des Händlers
Von Händlern aus Deutschland, die bereits ein Agenturmodell kennen, höre man Unterschiedliches, sagt Markus Aegerter: Während sich die einen eher verhalten bis kritisch äussern würden, weil sie unechte Agenturverträge vorgelegt erhalten hätten, gäbe es auch Marken-Autohäuser, die zufrieden seien, sagt er. «Ein echtes Agenturmodell kann aus meiner Sicht tatsächlich Vorteile mit sich bringen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen».

Die Einschätzungen der Auswirkungen des Agenturmodells teilt die Händlerschaft grundsätzlich in zwei Lager. Die Befürworter gehen davon aus, dass es künftig weniger Rabatte zulasten des Händlers geben wird. Gleichzeitig wird erwartet, dass durch die von Herstellern bewirkte «Preisdiziplin» der Wettbewerb unter den Markenkollegen eingeschränkt wird. Ein weiterer Vorteil sehen Befürworter darin, dass es weniger Bestandesware geben wird, für die der Händler die wirtschaftliche Verantwortung tragen muss. 

Die ablehnenden Stimmen befürchten primär eine zu geringe Abgeltung der betriebsseitig zu erbringenden Leistungen und damit keine ausreichende, das heisst angemessene Verdienstmöglichkeit. In Deutschland wird von den Händlern eine Marge von 9,5 Prozent gefordert. Viele befürchten, dass einzelne Hersteller die Agentur nur einführen wollten, um Kosten zu reduzieren. Grundsätzlich wird aber der Verlust von Selbständigkeit bedauert, denn bei der Agentur verkauft der Händler auf Namen und Rechnung des Herstellers. Und: In Europa fällt das «echte» Agenturmodell gemäss den jüngst veröffentlichten Leitlinien der EU-Kommission nicht mehr unter das Kartellrecht. Das hat zur Folge, dass der Hersteller bzw. der Importeur im Hinblick auf den Umgang mit seinen echten Agenten freie Hand hätte, ohne die Gefahr eines Kartellrechtsverstosses gegenwärtigen zu müssen. Last but not least wird – zumindest mittelfristig - auch eine Forcierung des Direktvertriebs durch die Hersteller am Netz vorbei befürchtet.
«Die Suppe wird nicht so heiss gegessen»
Selbstredend, dass das Thema GVO auch in der Markenkommission des AGVS ein Thema ist. Markus Hesse, deren Präsident, ist überzeugt, dass es noch einige Zeit braucht, bis vollständig klar sein wird, was die Auswirkungen für den einzelnen Händler sein werden.

Herr Hesse, die neue GVO wurde vergangene Woche in der AGVS-Markenkommission diskutiert. Was war der Tenor?
Markus Hesse:
Die GVO wurde zur Kenntnis genommen. Das Thema ist sehr komplex und die neue GVO wird wohl erst einmal ein intensives Studium verlangen, um verstehen zu können, was das alles im Detail heisst.

Ein «echtes» Agenturmodell führt dazu, dass überall dieselben Preise für ein Fahrzeug gelten. Ist das für den Händler und Kunde eher ein Vor- oder ein Nachteil?
Ob das dann tatsächlich so kommt, werden wir sehen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass der Markt nach den uns bekannten Gesetzen spielen soll: Angebot und Nachfrage, sowie ein gesunder Wettbewerb.


Geregelt in der neuen GVO ist unter anderem auch das Thema «Direktvertrieb». Ein direktvertreibender Hersteller kann künftig nicht mehr sämtliche Kundeninformationen von seinem Händler verlangen. Inwiefern stärkt das die Position des Händlers?
Ich denke, dass die Kundeninformationen nicht das alles Entscheidende sind, sondern der persönliche, nahe und dienstleistungsorientierte Kontakt zum Kunden. Den halte ich für entscheidend – und den haben nur wir Garagisten. Und wir tun gut daran, dass so zu erhalten.

Kann das «Agenturmodell» dazu führen, dass das Händlernetz kleiner wird?
Nun, wir führen das Agenturmodell nicht so schnell ein, wie das jetzt vermuten lässt. Ich denke, dass die Suppe nicht so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wurde. Wir werden sehen, wie die Agenturverträge ausgestaltet sind, wenn diese dereinst bei den einzelnen Herstellern bestehen. Erst dann wird man erfassen, was das alles mit sich bringt. 
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