Weniger, aber grössere Tankstellen

Die Tankstelle der Zukunft

Weniger, aber grössere Tankstellen

2. März 2023 agvs-upsa.ch – Das Tankstellengeschäft werde sich nicht abrupt, sondern erst längerfristig verändern, sagt Roland Bilang, Geschäftsführer von Avenergy. Die Entwicklung hin zu weniger, aber ­grösseren Tankstellen mit Shops und weiteren Mobilitätsdienstleistungen werde sich in den nächsten Jahren beschleunigen. Roland Bilang geht aber in jedem Fall davon aus, dass er auch 2030 noch im Sechszylinderbenziner unterwegs sein wird.

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In der Schweiz werden aktuell rund fünf Milliarden Liter Benzin und Diesel pro Jahr getankt. «Es wird in absehbarer Zeit nicht möglich sein, diese Mengen an fossilen Energieträgern zu ersetzen», sagt Roland Bilang, Geschäftsführer von Avenergy. Foto: Unsplash/Julian Hochgesang

Kro. Herr Bilang, bis vor dem Krieg in der Ukraine galt Erdöl und praktisch alles, was daraus gemacht wird – primär natürlich Treibstoffe – als langfristig abgeschrieben. Jetzt empfiehlt sogar der Bund, Öltanks zu füllen und Anlagen, die sowohl mit Gas und Öl betrieben werden, mit Öl zu betreiben. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Roland Bilang: Es ist erfreulich und auch etwas beruhigend, dass das Thema Versorgungssicherheit und die Rolle, die das Erdöl dabei spielt, wieder vermehrt ins Bewusstsein der Bevölkerung und der Entscheidungsträger gedrungen ist. Allerdings ist es auch bedauerlich, dass es dafür zuerst eine Katastrophe wie diesen Krieg brauchte.

Ab 2035 wird die Produktion von Autos mit Verbrennungsmotoren in Europa wohl nicht mehr erlaubt sein. Wie schwer wird das die Mineralölindustrie und damit die Tankstellen treffen?
Wir halten es grundsätzlich für sehr problematisch, wenn die Politik am Markt vorbei Technologieentscheide fällt. Im konkreten Fall ist insbesondere unklar, woher in dieser relativ kurzen Zeit die CO2-neutrale Elektrizität für die Versorgung der wachsenden E-Flotte kommen soll. Im Hinblick auf die schwierige Stromversorgungslage, die in den kommenden Wintern droht, ist diese Debatte etwas absurd. Was das Tankstellengeschäft angeht, so ändert sich dieses sowieso längerfristig und nicht vom einen auf den anderen Tag. Denn auch nach 2035 wird der Grossteil des Fahrzeugbestands mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sein.

 




«Das Tankstellennetz in der Schweiz ist sehr dicht. Die Entwicklung hin zu weniger, aber grösseren Tankstellen mit Shops und weiteren Mobilitätsdienstleistungen ist bereits seit einigen Jahren im Gange und wird sich möglicherweise in den nächsten Jahren beschleunigen.»

Roland Bilang, Geschäftsführer Avenergy.

 


Der CO2-Ausstoss aller Fahrzeuge in den 27 Ländern der EU macht 0,9 Prozent der weltweiten CO2-Belastung aus. Trotzdem sollen langfristig alle Autos mit Verbrennungsmotor von der Strasse. Wir brauchen Sie nicht zu fragen, was Sie darüber denken, oder?
Der technische und volkswirtschaftliche Aufwand für eine flächendeckende Batterieelektromobilität ist gigantisch. Auch die damit verbundenen Zwänge für die Bevölkerung lassen sich nicht wirklich mit dem Schutz des Klimas rechtfertigen, zumal eben absehbar ist, dass die E-Mobilität nicht mit CO2-neutraler Elektrizität gewährleistet sein wird.

Nehmen wir an, Sie sind im Jahr 2030 unterwegs. Wie respektive was wird Roland Bilang tanken?
Ich gehe mal davon aus, dass mein jetziges Auto dann immer noch seinen Dienst tun wird. Es ist ein Benziner mit sechs Zylindern.

Anfang dieses Jahres gab es in der Schweiz über 3000 Tankstellen. Wie viele werden es in zehn Jahren sein?
Das Tankstellennetz in der Schweiz ist sehr dicht. Die Entwicklung hin zu weniger, aber grösseren Tankstellen mit Shops und weiteren Mobilitätsdienstleistungen ist bereits seit einigen Jahren im Gange und wird sich möglicherweise in den nächsten Jahren beschleunigen.

Auf der Webseite spricht Avenergy davon, dass «die Diversifizierung der Treibstoffe einer der ­grossen Megatrends ist, dem sich die Tankstellen der ­Zukunft stellen werden». Was fällt realistischerweise alles unter diese Diversifizierung?
Was heute bereits beobachtet werden kann: ein wachsendes Angebot alternativer Energien − Strom, Gas, Wasserstoff, Biotreibstoffe − als Ergänzung zu Benzin und Diesel. Beispielsweise hat sich die Zahl der Markentankstellen mit Schnellladestationen von 2020 zu 2021 von 58 auf 109 praktisch verdoppelt.

Bis in welches Jahr rechnen Sie damit, dass an Tankstellen noch Treibstoff auf Basis von Mineralöl getankt werden kann?
Auf jeden Fall viel länger, als gemeinhin proklamiert wird. Ich erinnere daran, dass rund 98 Prozent des heutigen Fahrzeugbestands einen Tank haben, der mit einem flüssigen Treibstoff befüllt werden muss. Aktuell sind das in der Schweiz rund fünf Milliarden Liter Benzin und Diesel pro Jahr. Es wird in absehbarer Zeit nicht möglich sein, diese Mengen an fossilen Energieträgern zu ersetzen.

Der Schweizer Motorenkonstrukteur Mario Illien hält es für möglich, dass in vier bis fünf Jahren ausreichende Mengen an E-Fuels verfügbar sein könnten – falls die dafür nötige Planungssicherheit bestehe. Wie sehen Sie das aktuell?
Wir halten diesen Zeithorizont für sehr sportlich. Wobei hier eine wichtige Anschlussfrage wäre: ausreichend wofür? Für die Automobile oder für die Flugwirtschaft oder für die Schifffahrt? Alle zählen und hoffen auf E-Fuels. Für einige Leuchtturmprojekte wird es in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich reichen. Nebst der Planungssicherheit braucht es grosse Produktionskapazitäten, die aktuell nur als Pilotanlagen oder auf dem Papier existieren.

Welche Rolle spielen E-Fuels in den Überlegungen der Erdölfirmen?
Realistischerweise ist davon auszugehen, dass E-Fuels in Grossanlagen hergestellt werden, die über genügend erneuerbare Elektrizität aus Wind oder Sonne verfügen. Als Standorte bieten sich Länder mit Meeresküsten und in Äquatornähe an, wo es auch bereits konkrete Projekte gibt. Somit ist klar, dass die Erdölfirmen, die den Transport und die Lagerung flüssiger Energieträger von der Pike auf beherrschen, sich massgeblich an dieser Entwicklung beteiligen.
 
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