So profitieren Garagisten vom Boom

Old- und Youngtimer

So profitieren Garagisten vom Boom

3. August 2020 agvs-upsa.ch – Beliebt und nachgefragt: Old- und Youngtimer sind in der Schweiz gesucht. Das zeigt eine Studie der Swiss Historic Vehicle Federation (SHVF). Garagisten können von diesem Trend profitieren.


Quelle: Istock

abi. Sie wecken Emotionen, bieten eine Alternative zum digitalen Alltag und sind ein Investitionsgut: Veteranenfahrzeuge. Doch wie viele verkehren auf Schweizer Strassen, wie oft sind sie unterwegs, welche Marken und Modelle werden bevorzugt, wie viel Geld geben die Besitzer für Reparaturen und Unterhalt aus und wie reagiert die Bevölkerung, wenn sie einen Oldtimer sieht? Die Daten- und Faktenlage zu den Veteranenfahrzeugen in der Schweiz war bislang dürftig. 

Die SHVF hat deshalb mit einer Studie «ein repräsentatives Gesamtbild der Bedeutung der Veteranenfahrzeuge als rollendes Kulturgut in der Schweiz» geschaffen. Befragt wurden Personen zwischen 18 und 75 Jahren aus der Deutsch- und Westschweiz und das Ergebnis der Studie mit dem Titel «Veteranenfahrzeuge in der Schweiz. Einstellungen zu Veteranenfahrzeugen und sozioökonomische Bedeutung» lässt aufhorchen.

Die Bewegung um Veteranenfahrzeuge und Youngtimer steht in der Schweiz mit rund 250 Clubs und Vereinen auf einer soliden Basis. Zudem sorgt der Dachverband mit rund 25'000 organisierten Enthusiasten und zahlreichen Veranstaltungen für die Sichtbarkeit der Szene. Laut SHVF ist die Vielfalt an Marken und Typen in kaum einem anderen Land grösser als hier – vor allem auch, weil wegen der fehlenden hiesigen Automobilindustrie die meisten Fahrzeuge aus dem Ausland importiert werden müssen. «Zu diesem Erbe muss Sorge getragen werden», lautet die Forderung der SHVF.

Diese Forderung stösst auf offene Ohren: So geben 1 Million Schweizerinnen und Schweizer an, sich intensiver mit dem Thema Veteranenfahrzeuge auseinanderzusetzen oder sich dafür zu interessieren. 44 Prozent der Befragten freuen sich, wenn sie Veteranenfahrzeuge auf der Strasse sehen und jeder Zweite ist der Meinung, dass die Fahrzeuge als Kulturgut auf Schweizer Strassen erhalten werden müssen. 36 Prozent gaben zudem an, im vergangenen Jahr eine Ausstellung oder einen Event für Veteranenfahrzeuge besucht zu haben. Jeder sechste ist sogar der Meinung, die öffentliche Hand sollte dieses Kulturgut stärker unterstützen.

53'000 Schweizer besitzen mindestens ein Veteranenfahrzeug, sei es ein Automobil oder ein Motorrad. Per November 2019 wurden in der Schweiz 97'000 PW, 80'000 Motorräder, 2100 LKW und 84'000 Traktoren gezählt, die älter sind als 30 Jahre. Der Bestandswert dieses Veteranen-Fuhrparks in privaten Händen wird auf 7,7 Milliarden Franken geschätzt.

Dominiert wird der Bestand von Automobilien mit den Baujahren der 1960er- und 1970er-Jahre. Am beliebtesten sind Modelle wie der MG B, Jaguar E-Type und Porsche 911. Die deutschen Marken sind auf Schweizer Strassen grundsätzlich stärker vertreten als die englischen, obwohl das Interesse an englischen Marken wie MG, Jaguar oder Triumph gegenüber deutschen Marken leicht überwiegt. Überraschend: Marken wie BMW und Opel befinden sich nicht im Spitzenfeld der Beliebtheitsskala und US-Autos sind mit Ausnahme von Chevrolet (3 Prozent Anteil) praktisch nicht vertreten.


Quelle: Istock

Spannend für die Garagisten ist vor allem die Wirtschaftsleistung des Segments für Veteranenfahrzeuge in der Schweiz: Insgesamt fliessen jährlich 836 Millionen Franken in direkte Betriebs- und Erhaltungsausgaben wie Reparaturen, Betriebsstoffe, Versicherung, Garagierung, Restaurationen oder Reifen sowie in indirekte Ausgaben wie Startgelder, Magazine und Übernachtungen. 

Betrachtet man die jährlichen Ausgaben für die Erhaltung der historischen Fahrzeuge, werden für Automobile rund 485 Millionen Franken pro Jahr aufgewendet, also rund 5000 Franken pro Auto. Den grössten Posten stellen dabei die Restaurationsarbeiten. 48 Prozent führen Reparaturen oder Servicearbeiten selbst oder mit Hilfe von Freunden und Bekannten durch, 47 Prozent wenden sich an Fachwerkstätten. «Die direkten Ausgaben fliessen überwiegend Handwerks-, Klein- und Mittelbetrieben zu, die oft schon vom Aussterben bedroht sind wie Sattler, Carrosseriebauer, Holzbearbeiter, Motorenbauer, Zylinderschleifer und viele mehr», heisst es in der Studie. 

Über 50 Prozent der Unternehmen, die sich mit Veteranenfahrzeugen beschäftigen, sind seit über 20 Jahren im Geschäft. 94 Prozent der Betriebe erwirtschaften Umsätze bis zu 1,5 Millionen Franken pro Jahr, 79 Prozent beurteilen das Geschäft als «gut» bis «sehr gut».

Die Unternehmen sehen gemäss Studie die grösste Schwierigkeit darin, geeignetes Personal zu finden. Dazu kommen Gesetzesänderungen in Richtung Fahrbeschränkungen. Zudem müsse an der Bereitschaft der Unternehmen gearbeitet werden, Lehrlinge auszubilden. Denn 82 Prozent geben an, in Zukunft keine Lehrlinge auszubilden, obwohl 97 Prozent der Befragten bereit wären, ihr Fachwissen an die junge Generation weiterzugeben.

Der AGVS hat diesen Trend erkannt: Er unterstützt die Garagisten, die sich spezialisieren möchten, und ist Mitglied der Interessengemeinschaft Fahrzeugrestaurator (IGF). Diese organisiert den Lehrgang und die Prüfung «Fahrzeugrestaurator/-in mit eidg. Fachausweis». 75 Prozent der Befragten bewerten den Lehrgang gemäss Studie denn auch als wichtig bis sehr wichtig. Und die Ausbildung ist gefragt: Nach fünf erfolgreichen Durchführungen in der Deutschschweiz startet der Lehrgang im kommenden Jahr erstmals auch in der Westschweiz. Mehr Informationen zu dieser Ausbildung gibt es hier. 

Doch nicht nur Veteranenfahrzeuge sind beliebt, auch der Markt der Youngtimer/New Classics – also Fahrzeuge zwischen 20 und 30 Jahren – hat in den letzten Jahren beträchtlich zugelegt. Gemäss Studie liegt die Motivation der Besitzer wie bei den Veteranenfahrzeugen in emotionalen Erlebnissen aus der Jugend und in der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit Technik und Geschichte. Nicht zu vergessen: Die New Classics von heute sind die Veteranenfahrzeuge von morgen. 

Die Unternehmen sind denn auch positiv gestimmt, was ihre Zukunft betrifft: Zwar erwarten 92 Prozent leichte bis starke Veränderungen, andererseits gehen 85 Prozent von gleichbleibenden bis steigenden Umsätzen aus. Das Potenzial für Garagisten, die sich ein Stück des Kuchens abschneiden möchten, ist also durchaus vorhanden.
 
Das ist ein Veteranenfahrzeug
Ein Veteranenfahrzeug wurde vor mindestens 30 Jahren erstmals in Verkehr gesetzt. Die Fahrleistung ist mit Veteranenstatus kantonal auf im Schnitt 2000 bis 3000 Kilometer/Jahr begrenzt. Zudem muss das Auto der ursprünglichen Ausführung entsprechen – anerkennungsfähige Umbauten müssen aus der Epoche des Autos stammen. Auch muss es optisch und technisch in einwandfreiem Zustand sowie überdurchschnittlich gut gepflegt und unterhalten sein. Und es darf nur für private Zwecke verwendet werden. Dafür muss das Fahrzeug – wenn es die Prüfung zum Veteran bestanden hat – nur noch alle sechs Jahre vorgeführt werden.
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Kommentare


Schmidlin Adrian 4. August 2020 - 10:51
Jahrzehnte lang waren es immer Spezialisten die sich um die Oldtimer kümmerten mit Fachwissen dass über Jahrzehnte weiter gegeben wurde. Was aber heute einige Neuaufsteiger zum Teil praktizieren hat mit restaurieren nichts mehr zu tun! Auch werden zum Teil Fahrzeuge angeboten die erst einmal nicht schlecht aussehen sich dann aber schnell als Blender entpuppen. So investieren wir im Moment sehr viel Zeit um unfachmännische Arbeiten auszubessern. Es sollte dringend ein geprüftes Label vom AGVS zertifiziert werden welches einen Restaurations und Oldtimerfachbetrieb ausweisst ! Nur so hat ein Kunde auch Gewähr sein Geld gut angelegt zu haben und eine Qualitätsarbeit zu erhalten. Es ist heute einfach nicht mehr jeder Mech und Spengler in der Lage die Arbeiten fachgerecht erledigen zu können. Dazu kommen die vielen Händler welche nun auf den Zug aufspringen und den Ruf der Restaurateure den Sie in Jahrzehnte langer Arbeit aufgebaut haben ohne Skrupel des Geldes wegen zertören. Das kann und darf es nicht sein.

Anonyme 5. August 2020 - 13:15
Genau so ist es, trefflicher kann man es nicht schreiben. Auf einmal sind alle Garagenbetriebe wieder Oldtimerspezialisten.