«Den Autoverkauf muss man leben»

Auto Zürich

«Den Autoverkauf muss man leben»

6. November 2018 agvs-upsa.ch – Am 8. November öffnet die Auto Zürich und feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Mitglied der ersten Stunde ist Karl Bieri, der als Conférencier und Diplomat unterschiedliche Interessen balanciert. Neben stabilen Besucherzahlen ist es für ihn am wichtigsten, dass die ausstellenden Händler die Chance nutzen, Autos zu verkaufen.



kro. Das letzte Mal geflucht? Karl Bieri lacht: «Ich fluche ab und zu, schliesslich komme ich aus dem Autogewerbe.» Auf die Palme treibt ihn hingegen, wenn er auf Fragen keine vernünftige Antwort erhält – oder zu spät, was ihn daran hindert, dringende Arbeiten fortzuführen. Und dringend ist jetzt gerade sehr viel: Die Vorbereitungen für die Auto Zürich sind in den letzten Zügen, die Organisation ist in voller Fahrt.

Die Tage fliegen vorbei und Bieri ist in dieser Zeit «always on». Er fährt in hohem Tempo Richtung Ziel 8. November, seine Frau Doris auf dem Beifahrersitz. Die zwei organisieren seit Jahren die nach Genf grösste Autoshow der Schweiz. Sie sind wie ein Team im Ralleye-Sport – er steuert, aber sie sagt wohin. Also wie praktisch in jeder Ehe.

«Der Markt soll entscheiden»
«Bieri wird grün», hiess es hinter vorgehaltener Hand, als er vor 15 Jahren vorgeschlagen hat, an der Auto Zürich nicht nur Benzin- und Dieselfahrzeuge zu präsentieren, sondern eine möglichst breite Palette an Antrieben. Jetzt sitzt er in seinem Büro und konstatiert, es sei der richtige Entscheid gewesen: «Die Konsumenten und damit der Markt sollen entscheiden.» Er fährt seit Jahren selbst ein Erdgasfahrzeug – «das war nicht immer sexy.» Er meint seinen Fiat 500, den er vor Jahren gefahren ist, «praktisch selber umgebaut.»

Doch die Zeiten ändern sich auch hier – mit seinem Audi A3, den er heute fährt, merke er überhaupt keinen Unterschied, ausser, was die Distanz betrifft: Die sei mit 1200 Kilometern dank zwei Tanks überlegen gross. Dass das nicht die einzigen PS sind, die er nutzt, deutet er an der Wand hinter seinem Schreibtisch an – dort prangt die Silhouette eines sich aufbäumenden Pferds.

Auch mit 67 noch genug Drehmoment
Wer mit Karl Bieri spricht, landet eher früher als später beim Thema Auto. «Das», sagt er, «war immer so.» Dass er beruflich in dieser Welt landen würde, stand für ihn bereits als Kind fest. Die Konsequenz: kaufmännische Lehre bei Binelli & Ehrsam, Auslandaufenthalte in Frankreich, England und den USA, später bei der Franz AG für fünf Garagenbetriebe und das Leasinggeschäft verantwortlich. Dann kam die Auto Zürich.

Dieser stand Bieri zuerst als Gründungs- und Vorstandsmitglied zur Verfügung und verhalf ihr später als Präsident zum Durchbruch. Und er organisiert sie auch heute noch. Wie lange, weiss er nicht – für seine 67 Jahre hat er noch sehr viel Drehmoment. Ausserdem ist die Auto Zürich sein Kind. Kinder lässt man ungern los.

Ob er heute noch gerne operativ im Autogewerbe arbeiten würde? Bieri legt die Stirn in Falten und sortiert seine Gedanken wie die Sichtmäppli auf seinem Pult: «Die Mobilität wird ihren Stellenwert behalten», ist er überzeugt. Das sei schon einmal eine gute Nachricht. Bieri sieht jedoch Veränderungen – vor allem, wo sie politisch motiviert sind – einerseits in den Städten kommen. Dort werden Mobility-Angebote in Kombination mit Carsharing dazu führen, dass weniger Autos in persönlichem Besitz seien.

Andererseits zwingen die steigenden Wohnpreise in Städten die Leute aufs Land, von wo sie wieder in die Stadt zur Arbeit pendeln – mit dem Auto. Alles in allem sieht Bieri die Zukunft hell, aber es ist nicht in Laserstärke. Auch, weil es Entwicklungen gibt, die ihm «wirklich zu denken geben». Dass Hersteller permanent Druck auf den Handel ausüben und glauben, sie könnten ohne ihre Händler auskommen, sei ein Beispiel. Oder der Druck, stets mehr zu investieren und gleichzeitig immer mehr sparen zu müssen.

«Den Autoverkauf leben»
Wie stark die Hersteller selber unter Druck stehen, sieht man am Beispiel der Geneva International Motor Show (GIMS), der grosse Marken wie Ford, Volvo und Opel fernbleiben. Bieri bedauert das, sieht die Auto Zürich aber nicht vor der derselben Herausforderung, sich faktisch selbst neu erfinden zu müssen.

Die Unterschiede zwischen Auto Zürich und dem Auto-Salon Genf liegen für Bieri auf der Hand: In Zürich zeigt man, was schon auf dem Markt ist oder demnächst kommt. Und die Leute können sich in (fast) alle Fahrzeuge setzen. Ausserdem habe man das Thema Digitalisierung als inzwischen integraler Bestandteil der Autobranche in Zürich früher erkannt und vor drei Jahren fix ins Programm aufgenommen.

Dieser Teil wird in Kooperation mit Euronics und Samsung 2018 noch ausgebaut. Genf setzt ein ähnliches Konzept erst 2019 um. Der grösste Unterschied aber: Die Auto Zürich ist eine als Ausstellung verpackte Verkaufsveranstaltung, an der Abschlüsse gemacht werden. Noch wichtiger aber sind die Leads, ganz konkrete Kontakte und Interessensbekundungen des Publikums, die zu einem späteren Zeitpunkt zum Abschluss führen. Bieri verhehlt sein Unverständnis nicht, dass nicht alle Aussteller diesen Wert für sich entdeckt haben und entsprechend nutzen. «Den Autoverkauf», sagt er, «muss man leben».

Organisator, Showman, Diplomat
Karl Bieri schlüpft das Jahr über allgemein und in diesen Tagen ganz speziell in verschiedenen Rollen: Er ist Organisator, Showman, Diplomat. Vor allem aber Diplomat, denn es gilt, geschickt teilweise höchst unterschiedliche Ansprüche auszubalancieren: jene zwischen Importeuren, grossen und kleinen Ausstellern, zwischen dem aktuellen Angebot und und der Zukunftsmusik, zwischen kritischer Öffentlichkeit und «Petrolheads». Und auch zwischen jenem Karl Bieri, der als Gesicht der Auto Zürich im Fokus der Aufmerksamkeit stehen muss, und jenem Karl Bieri, der eigentlich das Rampenlicht scheut.

Weitere Infos unter:
auto-zuerich.ch
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