Darf es auch ein bisschen mehr sein?

Funktionen on Demand

Darf es auch ein bisschen mehr sein?

5. Februar 2021 agvs-upsa – Noch vor wenigen Jahren kaufte man sich ein Auto und ärgerte sich vielleicht später, weil man bei einer gewissen Option in der Preisliste kein Häkchen gesetzt hatte und sich daher ohne eine praktische Funktion durch den Verkehr kämpfen musste. Das war einmal. Inzwischen kann man sich Funktionen sogar bei Bedarf dazu bestellen.

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Seit November 2020 können Audi-Kundinnen und -Kunden gewisse Funktionen in ihrem Fahrzeug auch bei Bedarf dazu buchen. Quelle: Audi

jas. Der Traum vom Smartphone auf Rädern, das genau wie ein Mobiltelefon oder auch wie ein Computer selbst nach dem Verkauf noch von Updates und Neuerungen profitieren kann, hegen Autoentwickler schon seit Jahren. Nun wird er immer mehr zur Realität, die zunehmende Digitalisierung macht es möglich. Denn wie beim Metzger kann man sich nun auch nach dem Autokauf noch überlegen, ob es ein bisschen mehr sein darf.

Einer der Vorreiter war auch in diesem Bereich der Elektro-Pionier Tesla. Die Modelle der Amerikaner wurden selbst nach dem Kauf weiter verbessert und profitierten sozusagen über Nacht von neuen Funktionen und Features. Für das vor fast zwei Jahren auch in der Schweiz eingeführte Kompaktmodell Model 3 gab es inzwischen über 20 Software-Updates. So ist der Stromer nun mit einem automatischen Abblendsystem bei Gegenverkehr, einer Anzeige externer Lademöglichkeiten, verbesserter Bluetooth-Funktionalität oder auch einer Verbesserung der Unterhaltungssoftware und einem Toter-Winkel-Warngeräusch ausgestattet. Die ganzen Updates sind mit der bestehenden Hardware an Bord und durch das Aufspielen neuer Software «over the air» möglich. Ärgerlich für den Garagisten, denn durch die heute ständig mit dem Internet verbundenen, vollvernetzten Fahrzeuge ist dafür kein Besuch oder Service beim Garagisten mehr nötig. Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung erlaubt den Herstellern so einen immer direkteren Zugang zu den Endkundinnen und Endkunden.

Und Tesla ist längst kein Einzelfall mehr. Vor allem Premiummarken nutzen ihren Vorsprung bei der Digitalisierung aus. Die BMW Group rollte beispielsweise ab Oktober 2020 sein bislang umfangreichstes Remote-Software-Upgrade aus und lieferte für 750'000 Fahrzeuge weltweit nicht nur eine Softwareaktualisierung, sondern auch neue Funktionen. Die BMW-Fahrer wurden via Pushnachricht im Fahrzeug oder in der BMW-Smartphone-App informiert, sobald das Upgrade für ihren Markt bereitstand. So kamen sie zu neuen Features im Navigationsbereich, bei der Parkplatzsuche oder auch bezüglich Heckklappen-Öffnen. Selbst bei umfangreichen Updates dauert eine solche Installation selten mehr als 20 Minuten. BMW-Kunden können sogar, wie bei einem Heimcomputer auch, aktiv nach Neuerungen suchen und dies inzwischen schon bei über 20 Modellen. 

Dank des Multimedia- und Bediensystems MBUX hat auch Mercedes die Möglichkeit geschaffen, dass man selbst nach dem Kauf seinen Wagen noch mit neuen Features ausrüsten kann. Neustes Beispiel in der Schweiz ist hier seit November 2020 Audi. Die deutsche Marke erlaubt es, auch nach der Auslieferung des Fahrzeugs an den Kunden ausgewählte Funktionen online hinzu zu buchen und zwar nach Bedarf. Die Hardware für die nachträglich aktivierbaren Funktionen ist in allen Fahrzeugen ab Werk eingebaut und somit über deren gesamte Lebensdauer verfügbar. Das neue Angebot schafft völlig neue Möglichkeiten der Individualisierung des eigenen Fahrzeugs. Die Buchung der Funktionen erfolgt online über die myAudi-App. «In der Schweiz haben wir die ‹Functions on Demand› per 2. November, als eines der ersten Länder in Europa eingeführt. Es freut mich, unsere Kunden künftig noch individueller ansprechen und digital begeistern zu können», erklärt Philipp Lüchinger, Head of Aftersales Audi Schweiz.

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Das bislang umfangreichste Remote-Software-Upgrade sorgte bei 750'000 BMW-Fahrzeugen weltweit nicht nur für eine Softwareaktualisierung, sondern auch für neue Funktionen. Quelle: BMW

Aktuell gibt es solche «Functions on Demand» bei den rein elektrisch angetriebenen Audi-e-tron-Modellen und den aktuellen Modellen A4, A5, A6, A7, Q5, Q7 und Q8. Weitere Baureihen und Funktionen werden folgen. Welche Funktionen gebucht werden können, ist vom Fahrzeugmodell abhängig. Beim Audi e-tron und beim e-tron Sportback beispielsweise kann der Kunde die LED-Scheinwerfer zu Matrix-LED-Scheinwerfern mit automatischem Fernlicht upgraden.

Zusammen mit «Functions on Demand» startet auch AudiPay. Geschützt durch eine sichere Verbindung mit dem konzerneigenen Zahlungsdienstleister VW Payments S.A. können Kunden – genau wie beim App-Kauf mit dem Smartphone im Google-Play- oder auch Apple-App-Store – nun mit ihren hinterlegten Kreditkarten digitale Services für ihr Auto kaufen und bezahlen. Für die Zukunft sind bei Audi weitere Bezahldienste wie Paypal oder andere lokale Bezahlfunktionen geplant.

Möchte der Kunde eine Funktion zunächst bloss kennenlernen, so hat er bei Audi einmalig die Möglichkeit, eine einmonatige Testphase zu buchen. Bereits während dieser Phase kann der Kunde die Buchung entsprechend seiner persönlichen Bedürfnisse verlängern. Entscheidet er sich aber gegen eine Verlängerung, läuft die Buchung automatisch und ohne aktive Kündigung am Ende der gewählten Laufzeit aus. Die gebuchten Funktionen sind immer auf das jeweilige Fahrzeug bezogen. Das bedeutet aber auch, dass sie bei einem Weiterverkauf des Audi mit der verbleibenden Restlaufzeit aktiv und somit für den nächsten Besitzer nutzbar bleiben. Ausserdem kann dieser entsprechend seiner persönlichen Bedürfnisse noch weitere Funktionen nachträglich hinzubuchen.

Dies könnte die Attraktivität des Fahrzeugs auf dem Occasionsmarkt erhöhen. Da die Funktionen aber nach einer gewissen Zeit «ablaufen», birgt es auch ein gewisses Risiko, dass man als Garagist für ein Fahrzeug wegen noch laufender Funktionen mehr bezahlt, aber dann auch rasch einen Käufer benötigt, weil die Zusatzfunktionen sonst bereits wieder nicht mehr verfügbar sind. Zudem wird der Kunde durch die neuen «Functions on Demand» sowie Software-Updates «over the air» noch direkter an den Hersteller gebunden, ohne dass der Garagist als zuverlässiger und kompetenter Mobilitätsdienstleister ins Spiel kommt. 
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