Kartellrechtliche Beurteilung der Händlerverträge: Wem gehören Kundeninformationen?

Kartellrechtliche Beurteilung

Kartellrechtliche Beurteilung der Händlerverträge: Wem gehören Kundeninformationen?

1. Dezember 2016 agvs-upsa.ch – Hersteller und Importeure haben in der Regel keinen Zugang zu den Kundendaten. Deshalb sind sie darauf angewiesen, dass ihnen die Händler diese Daten zugänglich machen. In Händlerverträgen werden oft «Datenklauseln» vereinbart, welche eine Pflicht zur Übertragen von Kundendaten an Hersteller und Importeure vorsieht. Der nachfolgende Artikel geht der Frage nach, ob diese Vertragsklauseln vor einer kartellrechtlichen Prüfung standhalten.

I. Ausgangslage
Vorreiterrolle Kfz-Gewerbe. Die Automobilbranche hat im Zusammenhang mit der Nutzung und Analyse von Kundendaten eine Vorreiterrolle inne. Sie hat festgestellt, dass Kundendaten durch eine optimale Erhebung und Verknüpfung zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber Konkurrenten führen. Mit einer gezielten Verwendung von Kundendaten kann die Effizienz in der Wertschöpfungskette gesteigert, das Verlustrisiko minimiert und die Produkte optimiert sowie personalisiert werden.
Umfassende vertragliche Regeln. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die von den Importeuren vorgegebenen Händler- und Serviceverträge streckenweise umfassende Klauseln über die Erhebung und Verwendung von Kundendaten enthalten.

II. Kundendaten im Sachenrecht und Datenschutz
Die Frage des Eigentums. Täglich fliessen grosse Datenmengen vom Konsumenten zum Händler. Diese sollen dann auch zum Hersteller/Lieferant weitergeleitet werden. Doch wem gehört das Eigentum an diesen Kundendaten und wie ist damit umzugehen? Es bestehen gute Gründe für die Annahme, dass das Eigentum dem Datenerzeuger, d.h. den Autohändlern, zukommt. Ihnen kann nämlich die Erst-Codierung und Erst-Speicherung technisch und wirtschaftlich zugeordnet werden.
Die Frage des Datenschutzes. Im Regelfall handelt es sich bei diesen Daten um Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes. Jede Bearbeitung von Daten muss somit rechtmässig, verhältnismässig und zweckgebunden erfolgen. Das bedeutet namentlich, dass der Händler die Einwilligung seiner Kunden für die Erhebung wie auch für die Weitergabe der Kundendaten einholen muss.

III. Vertragsklausel zu Kundendaten gemäss Kartellrecht
Abhängigkeit des Händlers. Im Bereich des Automobilhandels verfügt ein Händler oftmals über keine Alternativen zum bestehenden Vertragspartner. Insbesondere bei Einmarken-Händlern wird ein Markenwechsel mit erheblichen betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein, welche als nicht zumutbar betrachtet werden. Dies führt dazu, dass aus kartellrechtlicher Sicht eine Marktbeherrschung – sog. «relative Marktmacht» - des Importeurs gegenüber dem einzelnen Händler vorliegen kann.
Verhaltensrichtlinien für Generalimporteur. Besteht eine derartige Marktbeherrschung, so unterliegt der Generalimporteur bestimmten Verhaltensgeboten: er darf keine unangemessenen Konditionen zu Lasten der Händler- und Servicepartner durchsetzen, den Abschluss eines Vertrages nicht gleichzeitig an einen anderen Vertrag koppeln oder einen Werkstattvertrag ohne Vorliegen von wichtigen Gründen kündigen oder verweigern.

Schranken der Daten-Verwendung. In der Praxis finden sich in den Händler- und Serviceverträgen Klauseln, welche die Autohändler verpflichten, ihre Kunden- und Fahrzeugdaten an den Importeur weiterzuleiten. Es stellt sich hierbei die Frage, ob eine solche Norm das Kartellgesetz verletzen kann. Die Folge wäre die Nichtigkeit der betreffenden Klauseln; d.h. sie könnte vom Importeur nicht durchgesetzt werden.

Kritische Klauseln. Folgende Klauseln zu Lasten des Händlers könnten aufgrund der Marktmacht eines Importeurs unzulässig sein:
Uneingeschränkte Nutzung und Weitergabe. Der Händler wird regelmässig zum aktiven Austausch von Kunden- und Fahrzeugdaten verpflichtet. Er ist dabei gehalten, dem Importeuren sämtliche Kunden- und Fahrzeugdaten zur Verfügung zu stellen.
Kündigungsgrund. Händler- und Serviceverträge sehen regelmässig vor, dass eine Verletzung der Pflicht, Kundendaten zu sammeln und diese zu übermitteln, eine Kündigung mit sofortiger Wirkung rechtfertigt.
Kommunikation. Die Importeure behalten sich oft das Recht vor, die Kunden über Änderungen im Vertriebsnetz, über einen neuen Vertragspartner bzw. über das Ausscheiden des bisherigen Händlers, zu informieren und greifen dabei auf dessen Kundendaten zurück.
Entschädigung. Möchte der Importeur nach Beendigung der Zusammenarbeit die Kundendaten des Händlers weiterhin nutzen resp. einem anderen Händler übertragen, kann sich zudem die Frage nach einer angemessenen Entschädigung stellen.

IV. AGVS-Empfehlung
Um bei dieser Thematik Licht ins Dunkle zu bringen, hat der AGVS die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) damit beauftragt, das Eigentum und die Nutzung von Kundendaten im Kfz-Gewerbe zu analysieren. Dieses Gutachten finden Sie auf unserer Internetseite unter http://www.agvs-upsa.ch/de/branchenvertretung/gvo-kfz-bekanntmachung

Hier kommen Sie direkt zur ZHAW-Studie und zum Executive Summary.
 



Drei Fragen an Urs Wernli, AGVS-Zentralpräsident

«Bei Unsicherheit oder Fragen soll das Mitglied den AGVS-Rechtsdienst konsultieren»

Der Verband hat die Studie bei der ZHAW in Auftrag gegeben. Wie beurteilt er auf einen ersten Blick das Resultat?
Die Ergebnisse sind keine eigentliche Überraschung. Wir hatten diesen möglichen Sachverhalt vermutet. Es ging somit darum, durch eine neutrale Institution weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Insbesondere aus wettbewerbsrechtlicher Sicht. Die Antwort fiel nun nicht eindeutig aus. Wir hätten uns gewünscht, eine eindeutigere Einschätzung zu erhalten. Deshalb werden wir nun weitere Abklärungen vornehmen und die Ergebnisse auch im Zusammenhang mit der anstehenden Revision des Datenschutzgesetzes auf Bundesebene einbringen.

Zeigt das Beispiel der Datenweitergabe einmal mehr die einseitigen Machtverhältnisse zwischen Händler und Importeur?
So eindimensional sollte man das nicht interpretieren. Händler und Importeur sollten Partner sein. Aber es ist leider häufig so, dass zwischen dem Händler und dem Importeur ein Kräfte-Ungleichgewicht besteht, das in der Regel zu Ungunsten des Händlers ausfällt.

Wie soll sich das einzelne Mitglied jetzt verhalten?
Eine konkrete Handlungsempfehlung kann auf der vorhandenen Basis nicht gegeben werden. Ich rate dem Mitglied, sich bei Unsicherheit oder Fragen zum Thema an den Rechtsdienst des AGVS zu wenden.


Infobox
Wenden Sie sich bei solchen und anderen Fragen an den Rechtsdienst des AGVS. Mitglieder erhalten eine Erstrechtsberatung kostenlos: Telefon 031 307 15 15 oder rechtsdienst@agvs-upsa.ch.
Informatives und Interessantes auch auf http://www.agvs-upsa.ch/de/dienstleistungen/recht-und-steuern
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